Lehrinnovation: Softwarebasierte Simulation in Gesundheitswissenschaften und – management

Innerhalb der Lehrveranstaltung „Steuerung von Unternehmen im Gesundheitswesen“ von Prof. Dr. Frank Schmitz im Rahmen des Studiengangs Gesundheitswissenschaften und – management (M.Sc.) lernen Studierende anhand eines onlinebasierten Planspiels die Grundlagen der Unternehmensführung im Gesundheitswesen und deren regulativen Einschränkungen kennen.
Zu Beginn des Semesters erfolgt in fünf Präsenzveranstaltungen zunächst eine thematische Einführung. Es werden Inhaltliche Grundlagen wiederholt und um spezifische Aspekte von Unternehmen aus der stationären Versorgung ergänzt. Anschließend erfolgt eine Einführung in die softwarebasierte Simulation. In einem einführenden Testlauf werden die Entscheidungsbereiche vorgestellt. Nachdem das Unternehmen in der Simulation bekannt ist, sind die Studierenden aufgefordert, eine Strategie und abgeleitete Ziele für ihr Unternehmen zu definieren. Die Simulationsrunden finden über einen Gesamtzeitraum von sechs Wochen statt und umfassen insgesamt ein paar Tage. Innerhalb dieser Zeit müssen die Gruppen selbstorganisiert das Unternehmen analysieren und Entscheidungen treffen. Jeweils zu festgelegten Zeitpunkten wird das Wirtschaftsjahr als abgeschlossen definiert und die nächste Simulationsrunde beginnt. Nach insgesamt acht Simulationsrunden erfolgte in einer abschließenden Veranstaltung der Evaluation, ob die im Vorfeld definierte Strategie mit ihren abgeleiteten Zielen realisiert werden konnte.

Frage 1: Lieber Herr Prof. Dr. Schmitz, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Simulationssoftware bzw. ein digital basiertes Planspiel in Ihrer Vorlesung einzusetzen? Warum ist das angebotene Planspiel für Ihre Vorlesung relevant?

Management Simulationen sind eine gängige Lernmethode in den Wirtschaftswissenschaften und deren angrenzenden Disziplinen.

Allgemein ausgedrückt wird ein Unternehmen modellhaft abgebildet. Die Studierenden treffen als Unternehmensleitung in Gruppen unternehmerische Entscheidungen und werden mit deren Konsequenzen konfrontiert. Beispielsweise in den Bereichen Personal, Marketing, Finanzierung sowie Einkauf sind Entscheidungen zu treffen und Interdependenzen zu berücksichtigen. Wie in der Realität üblich, konkurrieren mehrere Unternehmen auf einem Markt.

Bei der Simulation konkurrieren vier oder fünf Gruppen mit je 3 oder 4 Studierenden auf einem Markt und stehen im Wettbewerb. Das heißt auch, die Entscheidungen der einen Gruppe haben Auswirkungen auf die übrigen Gruppen. Diese Entscheidungen sind jeweils für ein Wirtschaftsjahr zu treffen. Das leistungswirtschaftliche sowie finanzielle Ergebnis wird dann simuliert. Anschließend wird der Jahresabschluss veröffentlicht, d.h. allen Gruppen zugänglich gemacht und mit dem gesamten Kurs besprochen. Danach startet das neue Wirtschaftsjahr mit neuen Rahmenbedingungen.

Die Lehrveranstaltung konzentriert sich auf Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft. Die besonderen regulativen Aspekte werden in der Simulation berücksichtigt.

Ich bin der Auffassung, dass mit fortschreitendem Studium es immer wichtiger wird, die Interdependenzen von Entscheidungen innerhalb eines Unternehmens deutlich zu machen. Für ein eindimensionales Problem eine optimale Entscheidung zu treffen ist das eine. Vor dem Hintergrund einer selbstgewählten Strategie für das eigene Unternehmen mit Zielkonflikten umzugehen und für eine Vielzahl von Entscheidungen ein Gesamtoptimum zu erreichen ist eine komplexere Aufgabe. Hier ermöglicht die Simulationssoftware Learning by doing. Als Nebeneffekt führt der Wettbewerb der Gruppen auf einem Markt zu einer hohen intrinsischen Motivation der Studierenden.

Frage 2: Wo sehen Sie die Vorteile des Einsatzes digitaler Medien bzw. was kann durch die digitalen Medien geleistet werden, was ohne deren Einsatz nicht möglich wäre?

Für die Veranstaltung, von der ich berichten möchte, ist der Begriff „Digitale Medien“ vielleicht nicht ganz passend. Studierende sollen das in der Vorlesung erlernte Wissen in einem digitalen Umfeld spielerisch unter ständig wechselnden Umfeldbedingungen anwenden. Ergänzend zur Methodenkompetenz lassen sich im digitalen Umfeld auch hervorragend soziale Kompetenzen und Eigenverantwortung fördern.

Die Interdependenzen zwischen Unternehmensbereichen lassen sich ohne eine Simulationssoftware nur eingeschränkt erlebbar machen. Es bleibt vielfach ein theoretischer Erklärungsansatz. Es ist nicht erlebbar. Beispiel: Was bedeutet das Angebot einer neuen Dienstleitung zu einem a priori festgelegten Preis für mein Unternehmen? In welchen Bereichen meines Unternehmens muss ich steuernd eingreifen? Learning by doing ist hier der entscheidende Aspekt. Die Gruppen sind gezwungen, den Markt zu antizipieren. Analysefähigkeit ist gefragt.

Durch die Cloud-basierte Lösung erfolgt das Ganze zeitlich und räumlich flexibel. Die Gruppen müssen sich selbst organisieren. Dies alles vor dem Hintergrund, dass die Gruppen nicht wissen, welche Entscheidungen bzw. Maßnahmen andere Gruppen treffen. Es wird im Vorfeld ein Zeitpunkt definiert, bis wann alle Entscheidungen zu treffen und einzutragen sind. Ob die Einträge durch einen Gruppenteilnehmer nach Abstimmung mit der Gruppe erfolgt oder ob die Gruppe parallel in der Simulation angemeldet ist, obliegt der Selbstorganisation der Gruppe. Zum definierten Zeitpunkt wird das System geschlossen und die Ergebnisse werden simuliert. Ein paar Minuten später stehen die Ergebnisse bereit und die Analyse von Abweichungen gegenüber eigenen Markt- und Finanzprognosen kann beginnen.

Frage 3: Gab es Herausforderungen bei der Implementierung?

Technisch wurde die neue Version der Management Simulationssoftware auf eine Cloud-Lösung umgestellt. Frühere Versionen waren Desktop-Lösungen, bei denen die Gruppe geschlossen vor einem Computer sitzen musste und die gefällten Entscheidungen auf einem Stick an den Spielleiter übergeben musste. In Konsequenz bedeutete dies Präsenzveranstaltung in überfüllten IT-Laboren. Mit der Cloud-Lösung kann sich jeder Studierende, wann und wo er möchte, mit einem Computer oder Tablett anmelden und „sein“ Unternehmen analysieren und Entscheidungen fällen. Dies schafft unheimliche Freiheiten und man kann lernen, wann und wo man möchte. Für den Dozenten bedeutet dies, dass die Vorbereitung intensiver ist. Der Kurs muss vorab komplett durchgeplant und technisch vorbereitet sein. Bei einer traditionellen Vorlesung oder Übung kann man viel flexibler im Laufe des Semesters reagieren. Für die Simulation ist es beispielsweise erforderlich zu wissen, wie viele Teilnehmer gibt es überhaupt. Sämtliche Teilnehmer müssen mit Namen im System hinterlegt und einem Unternehmen zugeordnet werden. Das muss geplant werden. Dank intensiver Kommunikation mit den Studierenden zu Beginn des Semesters hat dies gut funktioniert. Ein Studierender, der im Laufe des Semesters kommt, ist praktisch nicht mehr integrierbar. Der Planungsaufwand ist um ein vielfaches höher.

Didaktisch hat sich folgendes herausgestellt: In Präsenzveranstaltungen gab es zu den Wirtschaftsjahren für jede Gruppe Feedback und Benchmarks zum Markt. In den Präsenzveranstaltungen Veranstaltungen kristallisierte sich dann Bedarf zur erneuten Besprechung des „Theorieteils“ vor dem Hintergrund der aktuellen Situation des eigenen Unternehmens in der Simulation. Es war spannend zu sehen, wie das, was in den Vorlesungen bereits gelernt wurde, dann vor dem Einsatz der Simulation erneut wiederholt wurde, auf einmal in der Anwendung ganz anders hinterfragt wurde. Den Zeitbedarf hatte ich so nicht eingeschätzt. Ich bin dem dann in „traditionellen“ Präsenzveranstaltungen nachgekommen. Dies könnte alternativ auch über Chat-Funktionen direkt über die Software-Lösung erfolgen. In welcher Form dies auch immer geschieht: Es hat sich gezeigt, dass auch Lernkonzepte bei den Studierenden wie bei einer Simulation unmittelbar Feedback bekommen. Und dieses Feedback löst unmittelbar eine Rückkopplung mit dem Lehrenden aus. Das fand ich sehr positiv, weil Studierende sich auf einmal intensiver mit dem bereits Gelernten auseinandersetzten. Dies muss in der Planung, insbesondere bei der zeitlichen Planung, berücksichtigt werden.

Zusammengefasst kann man sagen, die Veranstaltung muss technisch und organisatorisch bis ins letzte Detail durchgeplant sein. Mit Beginn der ersten Veranstaltung kann man nur noch reagieren und bestenfalls improvisieren.

Frage 4: Welche Rückmeldung haben Sie von den Studierenden erhalten?

Die Resonanz zum Einsatz der Simulation war uneingeschränkt positiv. Wie bereits gesagt, war der Ruf nach Feedback und Input von den Studierenden auch groß. Neben der hohen praktischen Anwendung von erlerntem Wissen in einem spielerischen Umfeld, wurde zudem auch die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit als sehr positiv bewertet. Der kompetitive Charakter des Agierens von mehreren Gruppen auf einem Mark darf auch nicht unterschätzt werden. So ist beispielsweise ist der Gewinn von Marktanteilen der einen Gruppe ein Verlust von Marktanteilen für eine andere Gruppe.

Frage 5: Wo sehen Sie zukünftige Potenziale für den Einsatz von E-Learning in der Lehre?

Dies hängt bestimmt auch ein wenig von den einzelnen Fachdisziplinen ab. In der Ökonomie, finde ich, gibt es ein breites Feld von Möglichkeiten insbesondere in der Anwendung von Theorie. Dies reicht von Lehrfilmen über bestimmte Inhalte und Szenarien als reine Wissensvermittlung über Abbildung von Unternehmensstrukturen in einem digitalen Umfeld bis hin zu Softwarestrukturen, mit denen die Studierenden dann in der Veranstaltung interagieren können. Letztes ermöglicht als handlungsorientierte Methode insbesondere die Vermittlung komplexer Zusammenhänge. Solange E-Learning bzw. Veranstaltungen mit hoher digitaler Unterstützung für die Studierenden einen neuartigen Charakter haben, wird sich dies auch positiv auf die Motivation der Studierenden auswirken. Ob dieser Effekt nachhaltig ist wird man sehen.

Frage 6: Welchen Rat würden Sie anderen Lehrenden geben, wenn diese vorhaben, digitale Medien in ihre Lehre einzubinden?

Wir haben die Veranstaltung mit einer Kollegin und einem Kollegen über zwei Tage geprobt, d.h. als Teilnehmer selbst durchlaufen. Dies hilft, Fragen der Studierenden zu antizipieren. Besonders auf der technischen Seite hilft es, die „Stolperfallen“ zu erkennen. Dies ist sehr aufwendig, hilft aber ungemein. Natürlich muss ich mir auch Gedanken machen über Prüfungsformen. Ergänzend zur üblichen Evaluation habe ich mit dem Kurs sehr lange in der letzten Veranstaltung gesprochen, was ggf. anders gemacht werden kann bzw. sollte. Dies war sehr hilfreich und konstruktiv. Erfahrungstechnisch startet man mit der Veranstaltung wieder bei null, das muss klar sein.

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